
Prof. Dr. Brigitte Petersen
Die erste schwierige und außergewöhnliche Jahreshälfte für alle Mitglieder der Europäischen Genossenschaft EQAsce ist vorüber. Sie war geprägt durch die weltweite Corona Pandemie, dem Lockdown über Monate mit Homeoffice und täglichen TELCOs und Videokonferenzen.
EQAsce: Wie hat die Geschäftsstelle von EQAsce diese Zeit gemeistert?
Vorstandsvorsitzende von EQAsce, Prof. Dr. Brigitte Petersen: Im Gegensatz zu vielen anderen Dienstleistungsunternehmen oder Organisationen für die Agrar- und Ernährungswirtschaft waren wir in der glücklichen Lage, keine Vollbremsung hinlegen zu müssen. Ganz im Gegenteil, wir haben im genossenschaftlichen Verbund mit der GenoAkademie und der Tiergesundheitsagentur TiGA e.G. seit Mitte März mit Hochdruck daran gearbeitet, unsere Mitglieder, Netzwerke und Kunden im systemrelevanten Bereich der Lebensmittelversorgung mit Informationen, Wissen und Erfahrungen von Branchenexperten zu versorgen. Hierzu haben wir neue Formate der Kommunikation und digitale Lösungen entwickelt wie Online Seminare, eine Videothek, ein webbasiertes Lernportal für unterschiedliche Zielgruppen und Online Foren, um mit unseren Netzwerkpartnern verbunden zu bleiben. Die Krisensituation war – wie so häufig – auch ein Katalysator und eine Chance für Entwicklungen, die schon lange auf der Agenda von EQAsce stehen. Ziele unserer Digitalisierungsstrategie rücken plötzlich in den Fokus und geben unseren Initiativen und öffentlich geförderten Projekten den richtigen Rückenwind!
EQAsce: Auf welche Herausforderungen blicken Sie für die zweite Jahreshälfte?
Prof. Dr. Brigitte Petersen: Nichts wird auch nach der Sommerpause wieder so sein wie vor der Corona Pandemie. Wir bauen auf unsere starken Netzwerke und unsere – sicherlich im genossenschaftlichen Erfolgsmodell begründeten – Fähigkeiten zur Flexibilität, Kooperation, Innovation und partizipativen Kommunikation bei der Gestaltung unserer Dienstleistungen, um Digitalisierung und Qualifizierung effizient zu verknüpfen. Wir werden dank der Beteiligung unterschiedlicher Partner aus Forschung und Wirtschaft die im letzten Jahr gestartete Initiative QVIREA weiter vorantreiben und zählen dabei auf die Praxiserfahrung und Lösungskompetenz unseres Netzwerks. Mit der Unterstützung einer Förderung der Landwirtschaftlichen Rentenbank wird es uns gelingen, bis Jahresende einige wichtige neue digitale Bausteine für die Qualifizierung von in der landwirtschaftlichen Tierhaltung Tätigen zu entwickeln und in der Praxis zu testen. Zu unserer Digitalisierungsstrategie gehört auch, die unterschiedlichen Kunden unserer EQAsce-Dienstleistungen zu einem sehr frühen Zeitpunkt in unsere Entwicklungen digitaler Lösungen aktiv mit einzubinden. Wir setzen dabei auf Crowd Intelegence – das Wissen von Vielen.
So haben wir am 15. Juni zwei 200-Tage-Test für unsere Digital Cards mit zwei Zielgruppen gestartet. Die eine Gruppe sind Studierende an Hochschulen und Universitäten gemeinsam mit unseren EQAsce Junior Mitgliedern, die unsere Dienstleistungen in Verbindung mit der Digital Academic Career Card bis Ende Dezember testen. Die andere Gruppe sind Personen im Management tierhaltender Betriebe. Sie testen das gemeinsam mit der Tiergesundheitsagentur (TiGA e.G.) und Systementwicklern erarbeitete Konzept der Digital Qualification Card (Basic Card plus). Es erleichtert den Tierhaltenden ihrer Nachweispflicht nachzukommen, entsprechend qualifiziert und autorisiert zu sein, für eine Reihe von Maßnahmen zur Verbesserung von Tierwohl und Tiergesundheit. Denn mit dem 1. Januar 2021 treten Gesetzesänderungen und neue Verordnungen in Kraft, für die derzeit die erforderlichen Voraussetzungen für bundesweite Qualifizierungskapazitäten und die zentrale Beantragung erworbener Sachkunde- und Befähigungsnachweisenachweise geschaffen werden. Hier stehen alle Beteiligten unter enormem Zeitdruck, da aufgrund der Corona Pandemie sowohl von privatwirtschaftlicher als auch behördlicher Seite nun erst wahrgenommen wird, wie viele personelle und institutionellen Investitionen in der zweiten Jahreshälfte noch getätigt werden müssen.
EQAsce: Was plant EQA ab August im Dialog mit den Mitgliedern internationaler Netzwerke und Initiativen, die in den letzten Jahren unter Mitwirkung von EQA entstanden sind?
Prof. Dr. Brigitte Petersen: Unsere Zusammenarbeit in Netzwerken auf europäischer Ebene richtet sich derzeit auf die neuen Programme der EU Kommission mit ihrer Farm-to-Fork-Strategie und dem Green Deal aus. Wir bereiten uns darauf vor, mit unseren Schwerpunkten „Bildung“ und „Qualifikation“ maßgeschneidert für die Bereiche Landwirtschaft, Ernährungswirtschaft, Umwelt und Gesundheitswesen vorhandene Standards der Personenzertifizierung gemeinsam weiterzuentwickeln. Unsere Zielgruppen sind Verantwortliche und Akteure im einzelbetrieblichen und überbetrieblichen Qualitäts-, Risiko- und Krisenmanagement dieser Wirtschaftsbereiche einschließlich ihrer öffentlichen und privatwirtschaftlichen Dienstleister. Wir haben bereits den Gremien der wichtigsten internationalen Branchenstandards empfohlen, neben den dort sehr detailliert beschriebenen produkt- und prozessbezogenen Anforderungen zukünftig verstärkt auch personenbezogene zu berücksichtigen und entsprechend zu definieren. In diesem Zusammenhang werden wir uns in den nächsten Monaten verstärkt in Studien damit auseinandersetzten, wie sich der auf das Verhalten von Entscheidungsträgern in Unternehmen und Organisationen ausgerichtete Standard „Safety Culture Ladder“ (SCL) auf die in systemrelevanten Branchen Tätigen übertragen ließe. Wir haben also als EQA- Team viel vor und sammeln deshalb nun alle in den nächsten Wochen Kraft und neuen Schwung für die Zeit nach der Sommerpause!